Resümee unserer Veranstaltung „Insightwissen für den Städtetourismus – Städtereisenstudie 2023/24“ auf der CMTbusiness
31.01.2024
Welche Trends und Anforderungen lassen sich für die Gestaltung eines nachhaltigen Städtetourismus ableiten? Wie müssen Städte in Zeiten multipler Krisen und Inflation ihre Inspiration, Vermarktung und Service- und Erlebnisgestaltung optimieren?
Ein Resümee der Veranstaltung „Insightwissen für den Städtetourismus – Städtereisenstudie 2023/24“
PROJECT M durfte am 17. Januar 2024 gemeinsam mit Saint Elmo´s Tourism, dem Europäischen Tourismus Institut und dem DTV und ausgewählten Fachleuten auf der CMTbusiness einen ganzen Nachmittag dem Thema Städtetourismus widmen. Dabei wurde das Veranstaltungsformat durch eine offene Dialogkultur, Best Practices und der Vorstellung der Städtereisenstudie gestaltet.
Die Veranstaltung begann mit einer kurzen Einführung in die bisherigen drei Städtereisenstudien von Peter C. Kowalsky (Geschäftsführer PROJECT M) und Norbert Kunz (Geschäftsführer DTV). Dabei wurde der aktuelle Stand des Städtetourismus beleuchtet. Die erste Städtereisenstudie wurde 2020/2021 herausgebracht und stieß auf großes Interesse, da die Städte im Fokus des Deutschlandtourismus stehen. Der Städtetourismus war bis 2019 ein maßgeblicher Treiber im Tourismus, bis 2020 die Corona-Pandemie kam. Die Phase der Erholung ist abgeschlossen, und 2023 zeichnet sich als neues Erfolgsjahr ab.
Städte sind dynamische Orte, die von zahlreichen Herausforderungen geprägt sind, welche auch den Städtetourismus betreffen. Bezahlbarer Wohnraum, Fachkräftemangel, Klimawandel und politische Gegebenheiten sind nur einige der Aspekte, die diesen Bereich beeinflussen. Diese äußeren Einflüsse haben eine starke Wirkung auf den Städtetourismus, erfordern jedoch, dass der Tourismussektor, in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren, darauf reagiert und klare Positionen bezieht.
Norbert Kunz (Geschäftsführer Deutscher Tourismusverband) auf die Frage nach der Bedeutung von Städtetourismus und Nachhaltigkeit im Städtetourismus
„Der Städtetourismus hatte viele erfolgsverwöhnte Jahre hinter sich bis 2019. Bis zur Corona-Pandemie 2020 war er der Motor, der Treiber des Deutschlandtourismus. Auch 2023 zeichnet sich als neues Erfolgsjahr ab. Aber: die großen Herausforderungen des Klimawandels betreffen insbesondere unsere Städte und da bedeutet es natürlich, die richtigen Antworten zu geben und auch in den Städten Partner zu finden, mit denen man zusammenarbeitet und gemeinsam Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft der Städte entwickelt.“
Neben dem Deutschlandtourismus wurde auch ein Blick über den Tellerrand und die Landesgrenzen geworfen. Harry John, Senior Consultant von Saint Elmo´s Tourism und zuständig für den Schweizer Markt, brachte Perspektiven aus der Schweiz in die gemeinsame Runde.
Dazu wurden verschiedene Stimmen aus dem Publikum zu aktuellen Trendthemen eingefangen. Besonders hervorgehoben wurde die Kooperation im Tourismus zwischen Stadt und Umland. In einigen Regionen, wie zum Beispiel im Ruhrgebiet, werden alte Bahntrassen nun als Radwege genutzt, um die Verbindung zwischen Stadt und Land zu stärken und das Angebot auf hybride Weise zu gestalten. Nachhaltigkeit ist eines der zentralen Trendthemen. Karlsruhe geht beispielsweise das Thema über eine Zertifizierung als nachhaltiges Reiseziel an. Die enge Zusammenarbeit mit der Stadtentwicklung und Stadtplanung ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung, um die Stadt aktiv mitzugestalten und gemeinsame Lösungen für Herausforderungen wie den Klimawandel und Maßnahmen im öffentlichen Nahverkehr zu finden.
Nach dem einleitenden Warm-up ging es zusammen mit Tassja Damaso von Schweiz Tourismus und Armin Dellnitz von Stuttgart Marketing in einen ersten Expert Talk. Es wurden Perspektiven für das Jahr 2024 hinsichtlich der Trends und Entwicklungen im Städtetourismus im Vergleich zwischen Deutschland und Europa diskutiert. In Stuttgart und der umliegenden Region wurde insbesondere der Tagestourismus als äußerst wichtiger Faktor für die Wertschöpfung und das touristische Image beleuchtet. Armin Dellnitz betont insbesondere das Erscheinungsbild der Schaufenster in den Innenstädten als Aushängeschild der Stadt. Die Verbindung mit dem Einzelhandel und die Umsetzung eines ganzheitlichen Konzepts zur Gestaltung der Innenstädte wurden dabei als zentrale Elemente hervorgehoben.
Peter C. Kowalsky (Geschäftsführer PROJECT M) auf die Frage nach dem Wandel der Städte und Innenstädte und was der Tourismus beitragen kann, um diese zu stabilisieren?
„Die Funktion der Innenstadt hat sich gewandelt von einem reinen Einkaufsort zu einem viel stärkeren kulturellem Ort, einem Begegnungsort, einem Raum für Erlebnis, und dabei spielt der Tourismus eine zentrale Rolle. Er trägt dazu bei, die Qualitäten, den Lebens- und Erlebniswert der Städte wieder mit Leben zu füllen. Das hängt damit zusammen, dass sich touristische Einrichtungen, wie die Hotellerie verändert haben. Die Hotellerie ist offener geworden, das Konzept richtet sich nicht mehr ausschließlich auf die Hotelgäste, sondern auch an die Besucher:innen der Stadt. Es entstehen beispielsweise neue Rooftop-Bars als Bestandteil neuer Hotelkonzepte. Dies kann ein neuer Standard sein, wenn wir über Magneten sprechen, dann ist es nicht mehr z.B. der Media Markt der die Leute zieht, sondern es ist etwas Neues, etwas Veränderndes, was sich letztendlich darauf auswirkt, dass wir diesen urbanen Raum ganz anders wahrnehmen, nicht mehr nur funktional als quadratisch praktisch gut, sondern viel mehr als einen Ort des Erlebens und Genießens.“
In der Schweiz hat der Städtetourismus ebenfalls eine große Bedeutung und wird besonders durch den Treiber Natur gefördert, wodurch die „Trumpfkarte“ der Schweizer Städte, die Nähe zur Natur, optimal genutzt werden kann.
Tassja Damaso (Schweiz Tourismus) auf die Frage der Schwerpunkt-Themen im Städtetourismus in der Schweiz
„Die Nähe zum Wasser und zu der Natur sind zentrale Alleinstellungsmerkmale der Schweizer Städte, die sich durch alle unsere Aktivitäten und Kampagnen ziehen. Dank ihrer überschaubaren Größe stehen die Städte sowohl für Lebensqualität als auch für urbanes Flair. In ihren weltweiten Marketing-Aktivitäten rückt Schweiz Tourismus diese Aspekte bewusst und gekonnt in den Mittelpunkt.
Das Thema Nachhaltigkeit hat ebenso einen hohen Stellenwert. Aspekte wie die Mobilität vor Ort mit einem zuverlässigen und gut ausgebauten ÖPNV oder die wertvolle Ressource Wasser erlebbar zu machen, sind nur zwei Beispiele. Das Nachhaltigkeitsprogramm Swisstainable der gesamten Schweizer Tourismusindustrie bildet die Grundlage für eine langfristige Nachhaltigkeitsstrategie für das Reiseland Schweiz.“
Peter C. Kowalsky gewährt über zahlreiche Best Practices einen tieferen Einblick in den Städtetourismus. Anhand der Beispiele Barcelona und Kassel stellt er innovative Illuminationskonzepte vor. Im Gegensatz zu gängigen Konzepten nutzt Barcelona die Installation der Lichter als Eventsstrategie in den ruhigeren Jahreszeiten, um neue Besucherströme in den schwächeren Übernachtungsmonaten anzuziehen. Sowohl Must-See Städte wie Barcelona als auch Großstädte wie Kassel setzen auf Lichtkunstfestivals, um Aufmerksamkeit zu generieren. Bremen wiederum bietet mit der Kunsthalle ein einzigartiges, interaktives Erlebnis, das Kunst und Digitalisierung miteinander verbindet. Zusätzlich zu diesen Highlights betont er besonders die Bedeutung des grünen Stadterlebnisses in vielen Städten.
Mit den Worten „Menschen im Mittelpunkt, Menschen die gestalten wollen, das Vertrauen in die eigene Markenentwicklung und der Mut für neue Wege und dem Fokus auf die eigene DNA, der nicht nur von einem Akteur abhängt, sondern in der Wirkung vom Zusammenspiel der Akteure“ übergibt Peter C. Kowalsky das Wort an seinen Kollegen Thorsten Glaß, der Einblicke in die Städtereisenstudie 2024 gibt.
Die Städtereisenstudie 2024 von PROJECT M in Zusammenarbeit mit Saint Elmo‘s Tourism, dem Europäischen Tourismus Institut und dem Deutschen Tourismusverband e.V. vergleicht die Bekanntheit, Beliebtheit und Themenkompetenz von über 170 Städtereisezielen in ganz Europa. Zudem erfasst die Studie Nutzerdaten zu Reisemotiven, Informations-/Buchungsverhalten sowie zukünftigen Reise- und Erlebnisvorlieben nach unterschiedlichen Zielgruppentypen inkl. deren Ansprüche von der richtigen Ansprache und Inspiration bis zu Vorstellung und Anforderungen an einen nachhaltigen Städtetourismus. Städtereisen liegen voll im Trend und gehören für Städtereisende aus dem DACH-Raum jedes Jahr auf die Urlaubsliste, und zwar mindestens einmal pro Jahr. Berlin – Paris – Hamburg sind bei den Städtereisenden als erstes im Mindset, wenn es um private Städtereisen in 2024 geht. Mit Wien auf Platz 6 und München auf Platz 8 kommen vier der zehn bekanntesten Städte aus dem DACH-Raum.
Michael Otremba (Geschäftsführer Hamburg Tourismus) auf die Frage, ob er mit so einem Ergebnis gerechnet hätte?
"Ich teile das Ergebnis total, Hamburg als „Must-See“ Stadt unter den Top 3. Wir haben natürlich großes Selbstbewusstsein, daher finde ich das Ergebnis gut und richtig, auf der anderen Seite ist es auch so, dass ich sage, wow, unter diesen Städten, die zu den „Musst-See“ Städten gehören, dass wir da zu den Top 3 gehören, freut mich total. Das ist eine Bestätigung für ganz viel harte Arbeit, natürlich nicht nur von uns, sondern von vielen, die dafür verantwortlich sind, Hamburg in das rechte Licht zu rücken mit dem, was sie tun. Wir freuen uns daher riesig und nehmen das auch als Ansporn, weiterhin unter den Top 3 zu sein.“
Nach der Vorstellung der Städtereisenstudie fand ein offener Austausch innerhalb einer zweiten Expertenrunde statt. Mit auf dem Podium vertreten waren diesmal auch Dr. Jürgen Amann von KölnTourimsus und Michael Otremba von Hamburg Tourismus. Im Fokus stand dabei die Vermarktung der Emotionen einer Stadt. Köln beispielsweise wird als ein Gefühl verstanden. Das einzigartige Lebensgefühl der Stadt schafft eine gemeinsame Identität und wird seit zwei Jahren verstärkt als Alleinstellungsmerkmal betont. Aber auch eine Stadt wie Stuttgart kann so ein Gefühl erzeugen und bewirbt es erfolgreich durch sogenannte Lieblingsviertel, um die Stadt mit anderen Augen zu sehen. Hamburg setzt auf das Thema Kulinarik in Verbindung mit Nachhaltigkeit.
Michael Otremba (Geschäftsführer Hamburg Tourismus) auf die Frage, wie Hamburg im Bereich der Nachhaltigkeit im Tourismus weitere Maßstäbe setzt.
„Wir glauben, dass Nachhaltigkeit nicht funktionieren wird, wenn wir Regeln aufstellen oder Verbote erlassen, sondern es wird funktionieren, wenn es Spaß macht. Unser Treiber war es zu sagen, lasst uns ein Food-Festival machen, wo man Nachhaltigkeit schmecken kann, anfassen kann, erleben kann, durch den Kontakt zu regionalen Produzenten auch wirklich fühlen kann. Das Thema Nachhaltigkeit mit Spaß zu versehen, ist ein Weg, den wir gerne weiter gehen wollen. Ich glaub, wenn wir das als Branche in den Mittelpunkt stellen, ohne zu belehren, ohne zu verbieten, kann eine positive Veränderung eintreten.“
Die Themen, die einen nachhaltigen und zukunftsorientierten Städtetourismus betreffen, umfassen auch die digitale Besucherlenkung und die ganzheitliche Erlebnisinszenierung. Ein Erfolgsbeispiel in Bezug auf die Besucherlenkung ist ein Projekt in Stuttgart, bei dem die Besucher:innen während der Europameisterschaft effektiv und gezielt durch die Stadt geführt werden, die zu einem riesigen Stadion wird - ein Mega-Public Viewing. Auch in Berlin wurde die Besucherlenkung, insbesondere im Kontext der Tourismusakzeptanz, intensiv behandelt. Bezirksteams wurden eingerichtet, die die touristischen Geheimtipps der Bezirke herausfiltern und in einer App präsentieren. "Diese Maßnahmen machen das Angebot sichtbarer, aber wir können die Besucher nicht vollständig lenken", sagt Matthias Goeze von Visit Berlin.
Zum Abschluss wurde die Runde der Expertinnen und Experten gewechselt, und mit Angela Keller von Tourismus Marketing Baden-Württemberg, Pascal Rastetter von Karlsruhe Tourismus und Hardy Puls von Magdeburg Marketing Kongress und Tourismus wurden Perspektiven von etwas kleineren Städten beleuchtet. In diesem Gespräch stand besonders die Markenbotschaft im Mittelpunkt, einschließlich des Markenversprechens, der Kanäle und der Zielgruppen. Nach einer Umkehrung der herkömmlichen Strukturen steht nun das touristische Markenprofil im Fokus des Marketings für Magdeburg. Die Darstellung in Karlsruhe gestaltet sich aufgrund der Markenkernthemen "Stadt des Rechts und der Wissenschaft" als anspruchsvoll, da es an Erlebbarkeit mangelt. Das Marketing präsentiert die Stadt nun eher als "die Stadt auf den zweiten Blick" mit vielen kleinen Themenschwerpunkten. Um Marketing und Fachkenntnisse in kleinen Städten zu bündeln und die Sichtbarkeit zu erhöhen, wurde die Initiative der "Kleinstadtperlen" in Baden-Württemberg ins Leben gerufen. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss von 20 Städten, die abseits der Hauptbesucherströme liegen.
Harry John (Senior Consultant Saint Elmos) auf die Frage, wie besonders kleinere Städte angesichts des verstärkten Aufmerksamkeitswettbewerbs Markenbotschaften strategisch gestalten und einsetzen können, um ihre Identität und Attraktivität herauszustellen?
„Back to the roots - sich auf seine Wurzeln und Stärken besinnen, die DNA klar herausstreichen und mit spannenden Geschichten aufbereiten. Fokus auf Produkt und Angebot, Erlebnisse inszenieren sowie enge Kooperationen mit Partnern, sowohl innen als auch außen. Das Einzigartige seiner Stadt aufzeigen und mit Emotionen die Attraktivität steigern und (digital) Nachfrage generieren.“
Abschließend sind sich alle führenden Köpfe der verschiedenen Städte einig: Die Städte und DMOs stehen vor komplexen Aufgaben und nehmen vielfältige Rollen ein, die über den Tourismus hinausgehen. Standortmarketing, Citymanagement und Stadtentwicklung sind nur einige Beispiele, die in die Querschnittsbranche des Tourismus einfließen. Es bedarf integrierte Konzepte und eine umfassende Zusammenarbeit innerhalb der Branche als auch branchenübergreifend, um den Städtetourismus erfolgreich zu gestalten. Die Themen Tourismusakzeptanz und Nachhaltigkeit zählen dabei zu den wichtigsten Treibern.
Wir danken dem DTV, dem Europäischen Tourismus Institut, Saint Elmo´s Tourism und allen Expertinnen und Experten für die gute Zusammenarbeit, die wertvollen Beiträge und den offenen und ehrlichen Austausch!
Alle Informationen:
Alle Eindrücke der Veranstaltung sowie zahlreiche O-Töne haben wir auch in einem Video zusammengetragen. Schauen Sie es sich gleich an und teilen Sie es gerne:
Einen Einblick in komplette Studie finden Sie hier:
Zur Städtereisenstudie